Alexander Friedrich

Seit der Mitte des 19. Jh. hat sich Produktion künstlicher Kälte zu einer unentbehrlichen Kulturtechnik industrialisierter Gesellschaften entwickelt. Dabei hat sie das kulturelle Raum-Zeit-Gefüge wie auch den Begriff des Lebens entscheidend verändert. Das genuine Raum-Zeit-Gefüge kältetechnisch induzierter Kulturen lässt sich in diesem Sinne als ›kryogen‹ bezeichnen. Kryogene, also kälte-erzeugte Kulturen beruhen auf einer sozio-technischen Kopplung thermodynamischer Aggregate, biologischer Prozesse, ökonomischer Strukturen, logistischer Verfahren, wissenschaftlicher Diskurse, rechtlicher Vorschriften und sozialer Praktiken. Die Logik biozentrische Kältetechnik folgt dabei der elementaren Grundregel: Die Kühlkette darf nicht unterbrochen werden. Als ›biozentrisch‹ können alle Kühlsysteme gelten, deren unmittelbarer Zweck die Frischhaltung organischen Materials ist. Sie bilden den Hauptgegenstand dieses Forschungsprojektes. Ausgehend von den Kälteaggregaten, ihrer Geschichte und Funktion, lassen sich spezifische Topologien kryogener Kulturen beschreiben und die Kühltechnik selbst als ein Dispositiv von ›Biomacht‹ im Sinne Foucaults interpretieren. Die Fragestellung des Forschungsvorhabens lautet damit: Wie hat sich die biozentrische Kältetechnik zu einem Dispositiv kryogener Kulturen entwickelt und wie lässt sich ihr Raum-Zeit-Gefüge theoretisch fassen?