Polare Räume. Medientechnik und Raumkonstitution am Beispiel der Polarforschung

 

Dorit Müller

Im Zeitalter der Technikbegeisterung, Wissenschaftseuphorie und kolonialer Bestrebungen avancierte die Erschließung der polaren Gebiete Ende des 19. Jahrhunderts zu einem Medienereignis ersten Ranges. Kulturzeitschriften und Zeitungen berichteten emphatisch über die neuesten Vorstöße zum Pol; Reiseberichte von Expeditionsteilnehmern überschwemmten den literarischen und wissenschaftlichen Markt; in der Malerei und fiktionalen Literatur hatten Polphantasien Konjunktur. Neben sprachlichen Medien wurden zunehmend graphische Reproduktionstechniken, später auch Fotografien und Filme als sich wechselseitig ergänzende Präsentationsformen des Polaren eingesetzt, um die bisher unbekannten Gebiete für die Öffentlichkeit erfahrbar zu machen.

Fragestellung und Thesen

Das Projekt befasst sich mit dem Verhältnis von Medien und Raum-Wissen am Beispiel der Polarforschung zwischen 1870 und 1930. Ausgangsthese ist, dass Darstellungsmedien Raum-Wissen nicht nur verbreiten und übersetzen. Vielmehr sind sprachliche und visuelle Medien an der Konstruktion und Gestaltung polarer Räume beteiligt. Prozesse der Raumkonstitution unterliegen medientechnischen Bedingungen, sie werden durch ästhetische Konventionen und kollektive Einstellungsmuster konditioniert und durch Aushandlungsprozesse hervorgebracht. Ohne Aufzeichnungsformen kann – so die zugrundeliegende These - Raum-Wissen weder erzeugt noch kommuniziert, verarbeitet und überliefert werden. Eine weitere These ist, dass sich an den Übergängen zwischen unterschiedlichen Medienformaten Transformationen des Raum-Wissens vollziehen.

Forschungsstand

Die historische Aufarbeitung der Polarforschung wurde überwiegend als Ereignis- oder Personengeschichte betrieben und berührte kaum Fragen der medial bedingten Wissensvermittlung und –konstruktion. Die bis in die Gegenwart reichende Produktion biographischer Arbeiten zu Forschungsreisenden wie Fridtjof Nansen, Robert Falcon Scott, Roald Amundsen und Ernest H. Shackleton, wie auch zu weniger spektakulären Polarforschern wie Erich von Drygalski und Alfred Wegener ist kaum noch zu überschauen. Der Fokus liegt vornehmlich auf der Schilderung dramatischer Wettläufe zum Pol. Zum Teil erschienen aber auch materialreiche Dokumentationen der Expeditionen, die sich auf Tagebuchaufzeichnungen, Kartenmaterial und fotografische Abbildungen der Reisenden stützen und beanspruchen, die Bedingungen, Umstände und Ergebnisse der Forschung in den Polargebieten detailliert zu rekonstruieren. In den letzten Jahren wandte sich die Forschung vereinzelt auch der Mentalitäts- und Faszinationsgeschichte des Gegenstandes zu. Ausgangspunkt bildet hier einerseits die Frage nach der bis in die Gegenwart reichenden enormen Popularität des Polaren, andererseits geraten Aspekte der künstlerischen Verarbeitung dieses Faszinosums in den Blick.

Eine medientheoretisch und bildwissenschaftlich fundierte Betrachtungsweise, die nicht nur Zusammenhänge polarräumlicher Repräsentationen auf theoretische und gesellschaftliche Konzepte, kollektive Einstellungsmuster und ästhetische Konventionen untersucht, sondern auch nach medientechnischen Bedingungen und medienspezifischen Funktionen polarer Raumdarstellungen fragt, zählt jedoch noch zu den Desideraten der Forschung.

 

Untersuchungsdesign

Im Zentrum des geplanten Projekts steht die Konzeption einzelner, an medien- und wissensgeschichtlich prägnanten Orten angesiedelter Fallstudien aus dem Bereich der Polarforschung, die das komplexe Wechselverhältnis von Medientechnik und Raumwahrnehmung bzw. Raumkonstruktion untersuchen. Es werden Quellenbestände berücksichtigt, die sowohl im deutschsprachigen als auch im angelsächsischen und skandinavischen Raum erschienen sind. Der Untersuchungszeitraum erstreckt sich auf die Jahre zwischen 1870 und 1930 - eine Hochphase der international betriebenen Forschungsreisen in die arktischen und antarktischen Regionen, die eine enorme Faszination auf die kulturelle Öffentlichkeit ausstrahlten und zugleich in einer Zeit rasanter medientechnischer Entwicklungen situiert sind.

Kontakt

Graduiertenkolleg
"Topologie der Technik"
Technische Universität Darmstadt

Postadresse
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64293 Darmstadt

Sprecherin
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Institut für Philosophie
gehring(at)phil.tu-darmstadt.de
Telefon: +49 (0)6151 16-57333

Sprecher
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Institut für Geschichte
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Marcel Endres
Mo-Mi 8.30-15.30 Uhr
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