"Die blaue Kohle"
Trotz der unterschiedlich verfassten, regionalen Nutzungspraktiken von Windenergie scheint es bereits einen frühneuzeitlichen Konsens über die Zweitklassigkeit des Energieträgers Wind gegeben zu haben. Vielfach wurden Alternativen wie Wasserkraft aufgrund der Unstetigkeit des Windes und mangelnder Stau- bzw. Speichermöglichkeiten bevorzugt. Interessant wird diese Einschätzung vor dem Hintergrund anthropozentrischer Wertsetzungen, zunehmender Abkopplung der Nutzungspraktiken von natürlichen Zyklen, Rationalisierung und Effizienz, Nutzungslogiken sowie technischen Umsetzungsmöglichkeiten. Nichtsdestotrotz ließen weder diese Zuschreibungen noch der Ausbau des großtechnischen Stromsystems basierend auf fossilen und später nuklearen Energieträgern, die Idee der Ausnutzung von „blauer Kohle“ verschwinden.
Ziel des Projektes „Die blaue Kohle“ ist es, die gesellschaftliche, technische und naturale Verfasstheit des Überdauerns der Windkraftnutzung seit Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland und Frankreich zu untersuchen. Neuen technikhistorischen Perspektivierungen folgend, rücken neben strukturbildenden Praktiken vor allem solche in das Zentrum, die kulturell wirksam, aber strukturell weniger sichtbar waren: Eingebettet in gesellschaftliche Energiediskurse und –narrative und gesellschaftlich konstruierte Bedeutung und Funktion von Landschaft sowie als Teil sozionaturaler Praktiken, die sich an lokalen Organisations- und Akzeptanzlogiken orientierten. Dabei geraten insbesondere bisher weitgehend unbeachtete, handwerkliche Techniktüfteleien in den Blick. Die Schnittstelle zwischen Technik, Natur und Gesellschaft steht dabei im Fokus der Untersuchung.
Wind power has been an important regional energy carrier since the Middle Ages. E.g. the northern German landscape was shaped by hundreds of traditional windmill water pumps to drain the land in order to cultivate it. At the turn of the 20th century when the fossil-based energy system substituted more and more the unreliable alternative sources wind power technology and the source per se came under societal pressure. The contemporary so called “blue coal” had (and still has) to compete against the concepts of efficiency, rationality and centralization. A competition which resulted in the first decades of the 20th century in the German narrative of “Mühlensterben” (end of mills), a synonymic expression for the decline of utilizing wind energy. In the past Historians often focused the big picture of energy transitions and narrate the story of an extensive, widespread clear-cut. By contrast I will tell a story that is shaped by a more practices-centered view. In the early 20th century German scientific journals as well as reference works by engineers on wind power highlighted beside free of charge and availability the practical values of low technology and craft especially in rural areas. Consistency and technological approaches to wind energy were no match for a centralized system. But the praxeological view shows that low technological wind power systems persisted within specific practices.
Examining Germany and France I argue that utilizing the “blue coal” for instance by modern wind generators meant a manageable and useful rural practice. The benefits of self-reliant maintenance, operations, and repair signified a high practical value and a regional economic contribution.
seit 2014 Lehrbeauftragte des Instituts für Geschichte, Lehrstuhl Technikgeschichte (Prof. Dr. Mikael Hård)
seit 05/2013 Stipendiatin des DFG-Graduiertenkollegs "Topologie der Technik" an der
Technischen Universität Darmstadt.
seit 2007 konzeptionelle und operative Tätigkeit und Projektleitung zur Umsetzung des hessischen Landesprogramms "Sprachfördermaßnahmen für Kinder im Kindergartenalter" in Darmstadt und Münster.
2004-2005 Konzeptionierung und Ausarbeitung stadtgeschichtlicher Ausstellungen und Stadtrundgänge "Vertriebenensiedlung St. Stephan, Griesheim", "Industrialisierung in Darmstadt!
2001-2004 studentische Hilfskraft am Institut für Geschichte der TU Darmstadt.
1998-2006 Studium der Geschichtswissenschaft und Germanistik an der TU Darmstadt. Abschluss: Magister Artium.
Letzte Vorträge
"Missbrauchte Landschaften? Wechselwirkungen zwischen technischer Transformation und gesellschaftlicher Symbolik der Windenergienutzung seit 1900", 24. Mai 2016 Universität Stuttgart
www.uni-stuttgart.de/hi/gnt/dialogo/Dialogo_SS16/Terminübersicht%20Oberseminar%20im%20SS%202016.pdf
"Unsere Heimat in Gefahr! Die moralische Dimension der Windkraftgeschichte" - Jahrestagung der Gesellschaft für Technikgeschichte e.V., Mai 2015 am Zentrum für Zeithistorische Forschung in Potsdam
"Das schwarze Schaf der Energie. Die Nutzung von Windkraft seit der Energiewende um 1900" - Mai 2015 Universität Innsbruck
"Jenseits der Idylle. Landschaften zwischen Energie und Bild" - Abschlusskonferenz des GRK Topologie der Technik, März 2015 in Darmstadt mit Nora Thorade, kommentiert von Dr. Ute Hasenöhrl, Innsbruck
"Energie zweiter Klasse. Regionale Transformationsprozesse der Windkraftnutzung als Schauplatzanalyse." - 3. Technikhistorisches Forum der Gesellschaft für Technikgeschichte e.V., Mai 2014 in Stuttgart
Hesse, Nicole: Windwerkerei. Praktiken der Windenergienutzung in der frühen Umweltbewegung. In: Technikgeschichte 83 (2/2016).
Hesse, Nicole: Praktiken der Historischen Praxeologie. Rezension von Historische Praxeologie. Dimensionen vergangenen Handelns hrsg. von Lucas Haasis/Constantin Rieske. In: Neue Politische Literatur. Beiträge aus Geschichts- un Politikwissenschaft 61 (1/2016).
Hesse, Nicole/Thorade, Nora: Tagungsbericht. Produzieren, Herstellen, Fabrizieren: Neue historische Perspektiven auf die Produktionstechnik. In: Technikgeschichte 81 (4/2014), S. 363-370.
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