Schwerpunkt dieses Promotionsprojektes ist das motorische Neulernen von Bewegungen, welches einen Kernaspekt des sportlichen Trainings darstellt. Die zentrale Frage, die es zu beantworten gilt lautet:
Kann man durch den Einsatz dreidimensionaler Videos sportlicher Bewegungen und die damit einhergehende Tiefenwirkung beim motorischen Neulernen einen Vorteil im Vergleich zu zweidimensionalen Videos erzielen?
Demnach soll untersucht werden, ob und unter welchen Bedingungen man dreidimensionale Videos im motorischen Lernprozess, sinnvoll nutzen kann. Bei den zu untersuchenden Teilaspekten des Bewegungslernens handelt es sich um die Bewegungsvorstellung, das Präsenzerleben und die Ausprägung räumlicher Fähigkeiten.
1) Bewegungsvorstellung:
Vorstellungen werden im Allgemeinen definiert als „wahrnehmungsartige ErscheiÂnungen einer Person“ (Munzert & Reisert, 2003, S. 220), bei denen im Gegensatz zum eigentlichen Wahrnehmungsprozess der sensorische Input ausbleibt. Grundsätzlich verfügen eine korrekte Bewegungsvorstellung und die korrekt ausgeführte Bewegung über dieselben funktionalen Eigenschaften (vgl. Jeannerod, 1995, S. 1419).
Für den Prozess des Bewegungslernens ist die Bewegungsvorstellung besonders im frühen Stadium von zentraler Bedeutung, da zu diesem Zeitpunkt eine Vorstellung der zu erlerÂnenden Bewegung ausgebildet wird. Zu Beginn des Erlernens einer Bewegung ist dieses präskriptive Bewegungswissen zunächst ungenau, da der Lernende noch nicht über ausführliche Erfahrungen verfügt. Die Vorstellungder zu erlernenden Bewegung umfasst hier „primär räumliche Aspekte und eine grobe, ausführungsleitende, begrifflich struktuÂrierte“ (Wiemeyer, 1994, S. 79) Form, ein klares Referenzkonzept ist noch nicht vorÂhanden. Der Ausbildungsgrad der Bewegungsvorstellung hat zu diesem frühen ZeitÂpunkt jedoch einen entscheidenden Einfluss auf die Ausführung der Bewegung (vgl. Gregg et al., 2007, S. 250). Müller (1995) hat diesbezüglich gezeigt, dass eine strukÂturierte Bewegungsvorstellung für das Bewegungslernen Vorteile bringt. Während dieser Phase des Lernprozesses sind gerade die visuell-räumlichen BewegungsvorÂstellungsanteile von besonderer Bedeutung und können zu einer hohen TransferÂleistung führen (vgl. Panzer et al., 2007, S. 124). Demzufolge ist es sinnvoll, im früÂhen Stadium des Bewegungslernens Videomaterial einzusetzen, um den Lernenden bei der Entwicklung einer visuellen Bewegungsvorstellung zu unterstützen.
2) Präsenzerleben:
Die Theorie des Präsenzerlebens besagt, dass bei der Nutzung neuer virtueller Realitäten (hier die dreidimensionale Bewegungsdarstellung) die Auffassung des Betrachters darüber, dass es sich um eine medienvermittelte Illusion handelt, für einen Moment in den Hintergrund tritt. „Die Rezeption wird subjektiv als derart überwältigend erfahren, dass das Bewusstsein ihrer Vermittlung in den HinterÂgrund tritt“ (Wirth & Hofer, 2008, S. 160). Wirth und Hofer (2008, S. 162ff) haben ein Prozessmodell des räumlichen Präsenzerlebens (PMSP) entwickelt, an welchem sich das hier vorgestellte Forschungsvorhaben orientiert. Dieses Modell lässt sich in vielen Punkten auf den Prozess der Entwicklung einer Bewegungsvorstellung übertragen, was innerhalb der Arbeit an dem Projekt umgesetzt werden soll.
3) Räumliche Fähigkeiten:
Räumliche Fähigkeiten werden definiert als die Fähigkeit visuelle Stimuli mental, also in Gedanken, zu verändern, zu rotieren, zu wenden oder umzukehren (vgl. McGee, 1979 zitiert nach Sorby, 1999, S. 280). Sie spielen in vielen Bereichen des Lebens eine bedeutende Rolle und sind ein zentraler Bestandteil der menschlichen WahrÂnehmung. Grundsätzlich gilt die Ausprägung solcher Fähigkeiten als die VorausÂsetzung für die „Verarbeitung visuell-räumlicher Informationen“ (Souvignier, 2000, S. 4). Besonders in technischen Aufgabenbereichen, wie den MINT-Fächern während der Ausbildung zählt die Ausprägung räumlicher Fähigkeiten als leistungslimitierenÂder Faktor. Die räumlichen Fähigkeiten des Menschen können laut McGee (1979, zitiert nach Sorby et al., 1999, S. 280) in fünf verschiedene Arten unterteilt werden:
1) Räumliche Wahrnehmung
2) Räumliche Visualisierung
3) Mentale Rotation
4) Räumliche Beziehungen
5) Räumliche Orientierung
Um letztendlich die zentrale Untersuchungsfrage beantworten zu können werden zunächst die dargestellten Teilaspekte des Bewegungslernens im einzelnen aufgearbeitet und zu einem späteren Zeitpunkt miteinander verknüpft um deren Einfluss auf den Nutzen durch den Einsatz von Videomaterial während des Bewegungslernens untersuchen zu können.
Referenzen:
Gregg, M., Hall, C. & Butler, A. (2010). The MIQ-RS: A Suitable Option for Examining Movement Imagery Ability: eCAM, 7 (2), 249-257.
Jeannerod, M. (1995): Mental imagery in the motor context. Neuropsychologia 33 (11), 1419–1432.
Müller, H. (1995). Kognition und motorisches Lernen. Bonn: Holos-Verlag.
Munzert, J. & Reiser, M. (2003). Vorstellung und Mentales Training. In: H. Mechling & J. Munzert (Hrsg.), Handbuch Bewegungswissenschaft, Bewegungslehre (S. 219-230). Schorndorf: Hofmann.
Panzer, S., Büsch, D., Shea, C. H., Mühlbauer, T., Naundorf, F. & Krüger, M. (2007). Dominanz visuell-räumlicher Codierung beim Lernen von Bewegungssequenzen. Zeitschrift für Sportpsychologie, 14 (3), 123-129.
Sorby, A., Leopold, C. & Górska, R. (1999). Cross-cultural comparison of gender differences in the spatial skills of engineering students. Journal of Women and Minorities in Science and Engineering, 5, 279-291.
Souvignier, E. (2000). Förderung räumlicher Fähigkeiten: Trainingsstudien mit lernbeeinträchtigten Schülern. Münster; New York; München; Berlin: Waxmann.
Wiemeyer, J. (1994). Interne Bewegungsrepräsentation: Grundlagen, Probleme und Pers-pektiven. Köln: bps-Verlag.
Wirth, W. & Hofer, M. (2008). Präsenzerleben - Eine medienpsychologische Modellierung. montage AV Zeitschrift für Theorie und Geschichte audiovisueller Kommunikation, 17 (2), 159-175.
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