1989 in der Stadt von Heute - Ein Vergleich der Erinnerungskulturen von Leipzig und Temeswar

von Martin Hofmann

1989 und die Städte

Im Jahr 1989 fanden in vielen Städten Mittel- und Osteuropas Massendemonstrationen und revolutionäre Ereignisse statt, die schließlich zum Fall der sozialistischen Regime führten. Im Projekt soll der Frage nachgegangen werde, wie einschneidende Ereignisse dieser Art die Städte, in denen sie sich abspielten, prägen. Wie spiegeln sie sich heute im materiellen Stadtraum wieder?

Thesen

Die Untersuchung der materiell-technischen Erinnerungskultur einer Stadt liefert einen Schlüssel zum Verständnis, wie Ereignisse in jeder Stadt auf spezifische Weise erinnert und in das gegenwärtige Leben integriert werden.

Ein direkter Vergleich zweier Städte mit ähnlichen Ausgangspositionen zeigt auf, wie auf je eigene Weise mit der Vergangenheit umgegangen wird. Dabei hilft eine Anwendung des jumping scales-Ansatzes (Berking 2007, Swyngedouw 1997), lokale und nationale Faktoren angemessen einzuordnen.

Theorien des Erinnerns

Innerhalb der zahlreichen Auseinandersetzungen mit dem Gebiet der Erinnerung existieren drei theoretische Ansätze, die für das Projekt fruchtbar gemacht werden können.

In ihnen werden zum einen die materiellen, zum anderen die sozialen Aspekte von Erinnerungskulturen behandelt.

Die hauptsächlich angelsächsische Heritage-Debatte (Darstellung bei Frank 2009) betont vor allem die Außenwirkung und die materielle Seite der Erinnerungskultur. Außerdem liefert sie die Erkenntnis, dass die materiellen Orte, an denen das Erinnern stattfindet, trotz einer scheinbaren Authentizität in der Regel technisch aufbereitet und gestaltet sind. (Frank 2009)

Die „Erinnerungs“-Ansätze orientieren sich nach Innen. Zentral sind Fragen der Identität, sie umfassen auch nichtmaterielle Mythen, Bilder und Symbole. Zugleich haben sie meist einen didaktischen Anspruch. In der deutschen Debatte spielen die beiden Konzepte der „Lieux de mémoire“ (Nora 1998) und der „Deutschen Erinnerungsorte“ (Francois/Schulze 2001) eine zentrale Rolle.

Im Wunsch, die Vergangenheit unmittelbar zu erfahren und sie dabei in sicherer zeitlicher Entfernung zu wissen (Sabrow 2009), treffen sich die beiden Richtungen.

Durch Kombination der Erkenntnisse aus der Heritage- und den Erinnerungsdebatten wird ein Konzept entwickelt, das sich in ein empirisches Untersuchungsdesign übertragen lässt.

Die Städte

Leipzig und Temeswar/RO wurden ausgewählt, da sie über eine hinreichende Ähnlichkeit im Jahr 1989 verfügen.

Beide waren Provinzzentren mit ehemals hoher Bedeutung und verfügten über eine große Industriearbeiterschaft bei gleichzeitig noch bestehender intellektueller Tradition. Auch verfügten beide über ein gespanntes Verhältnis zur Zentralregierung in der Hauptstadt.

Im Jahr 1989 und in der Folge sind drei weitere gemeinsame Phänomene von Bedeutung.

In Leipzig wie in Temeswar fanden die ersten Massendemonstrationen der DDR bzw. Rumänien statt, die als Katalysator für die Wende bzw. die Revolution wirkten. In der Folge fand jedoch eine Verlagerung in der nationalen Erinnerungskultur statt. Wesentlich präsenter sind Bilder aus den Hauptstädten: Der Fall der Mauer in Berlin sowie Ceausescus Rede und Hubschrauberflucht in Bukarest.

Beide Städte sind heute ein relativ florierendes Zentrum in einer stagnierenden Umgebung.

Für die Untersuchung sollen in Leipzig und ich Temeswar typische Orte der Erinnerungskultur ausgewählt und mit einem Methodenmix (u.a. Beobachtung, Interviews) analysiert werden. Ein Gesamtüberblick der Erinnerungskultur ergänzt und rahmt die Analyse der fokussierten Orte.

Vorgehen (Skizze)

1. Entwicklung der theoretischen Grundlage

2. Entwicklung des Forschungsdesigns (inklusive Pretests in anderen Städten) und Auswahl der relevanten Orte, Untersuchung in LE und TM

3. Beschreibung der Erinnerungskulturen und Analyse der typischen Orte. Vergleich der Resultate für beide Städte.

 

Literatur

Berking, Helmuth (2007): Global Localities. Anmerkungen zur Stadtforschung. Vortrag an der Universität Bielefeld am5. März 2007. raumsoz.ifs.tu-darmstadt.de/pdf-dokumente/berking_bielefeld.pdf

Francois, Etienne/Schulze, Hagen (Hg.) (2001): Deutsche Erinnerungsorte. München

Frank, Sybille (2009): Der Mauer um die Wette gedenken. Frankfurt/New York

Nora, Pierre (1998): Zwischen Geschichte und Gedächtnis. Frankfurt

Sabrow, Martin (Hg.) (2009): Erinnerungsorte der DDR. München

Swyngedouw, Erik (1997): „Neither Global nor Local. „Glocaliziation „and the Politics of Scale“. In: Cox, Kevin (Hg): Spaces of globalization. Reasserting the power of the local. New York

 

 

Kontakt

Graduiertenkolleg
"Topologie der Technik"
Technische Universität Darmstadt

Postadresse
Dolivostr. 15
64293 Darmstadt

Sprecherin
Prof. Dr. Petra Gehring
Institut für Philosophie
gehring(at)phil.tu-darmstadt.de
Telefon: +49 (0)6151 16-57333

Sprecher
Prof. Dr. Mikael HÃ¥rd
Institut für Geschichte
hard(at)ifs.tu-darmstadt.de
Telefon: +49 (0)6151 16-57316

Besucheradresse Koordination
Landwehrstr. 54
S4|24 117
Telefon: +49 (0)6151 16-57365
Fax: +49 (0)6151 16-57456

Anne Batsche
Di-Fr 10-15 Uhr
topologie(at)ifs.tu-darmstadt.de

Marcel Endres
Mo-Mi 8.30-15.30 Uhr
endres(at)gugw.tu-darmstadt.de

Besucheradresse Stipendiaten
Landwehrstr. 54
S4|24 106–112
Telefon

+49 (0)6151 16-57444

Wegbeschreibung

A A A | Drucken Drucken | Impressum | Datenschutzerklärung | Sitemap | Suche | Webmail | Typo3-Login
zum Seitenanfangzum Seitenanfang