Unsicherheiten in der Wasserversorgung

(von Philipp Benz)

 

In Deutschland beherrschen derzeit 3 Schlagworte die Veränderungen in der Wasserversorgung. Es sind die Anpassungen der Infrastruktur an den demographischen Wandel (Wissen/Naumann 2006), die Anpassungen an den Klimawandel (WBdBG 2007) und im Nachklang auf die Institutionelle Debatte um die Organisation der Wasserversorgung der Kostendruck bzw. die Gebührenhöhe Koziol 2007). Aus dem ersten Bereich ergibt sich ein Anpassungsdruck auf die eingerichteten Infrastrukturen, welche vielerorts überdimensioniert sind. Aus dem zweiten ergeben sich beispielsweise Schwankungen in der Ressourcenverfügbarkeit oder auch Nutzenkonflikte durch eine Intensivierung der Landwirtschaft zum Anbau von Biomasse und dadurch steigende Nitratbelastungen im Grundwasser. Der letzte Punkt betrifft den wirtschaftlichen Druck auf die Wasserversorgung (Libbe, Moss 2007 S. 393) der durch die Debatte um die Tarife der Wasserversorgung gekennzeichnet ist und von Seiten der Verbände mit unterschiedlichen Benchmarking-Initiativen (DStuGB ohne Jahr) beantwortet wird.

 

Alle Punkte zusammen, verlangen von der Verantwortlichen Anpassungen in der operativen Realisierung der Wasserversorgung und im Planungsprozess vorzunehmen. Planung ist in die Zukunft gerichtet und somit implizit mit Unsicherheiten behaftet. Das Auftreten und der Umgang mit Unsicherheiten und Risiken wird in der Wasserwirtschaft, bspw. in der Bewirtschaftung internationaler Einzugsgebiete, häufig auf einer strategischen Ebene debattiert (Pahl-Wostl et al. ohne Jahr). Unterschiedliche Ansätze zeigen die möglichen Entwicklungsszenarien und Gefahren für die Ressourcennutzer. Von Seiten der Betreiber werden intensiv Finanzierungsrisiken bspw. in der öffentlich-privaten Kooperation behandelt (Pfnür 2006 S. 4) und auf der Gegenseite wird auf politischer Ebene über die Gefahren eines Kontrollverlustes und somit dem Verlust der kommunalen Selbstverwaltung (Hellermann 2000 S. 61) debattiert. Von der Gesundheitlichen Perspektive beschäftigen sich bspw. die Water Safety Plans der WHO mit dem Eindämmen von Gesundheitlichen Risiken. Wenig Beachtung finden dagegen die operativen Risiken in eher alltäglichen Entscheidungsprozessen (Benz/Sterchi 2001).

 

Die Vorgaben der DVGW Regelwerke sind Stand der Technik und werden im Betrieb der Wasserwerke als Entscheidungsgrundlage herangezogen. Immer beinhalten sie auch einen Hinweis auf die Wirtschaftlichkeit der Betriebsweise oder der Auslegung von Anlagen, sie überlassen aber die Auslegung von unsicheren Parametern dem Betreiber und gehen nicht auf die Bewertung oder den Umgang dieser Parameter hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit ein. Beispielhaft hierfür ist die Instandhaltung von Tiefbrunnen (DVGW-A 130). Die Entscheidung über die Wirtschaftlichkeit von Maßnahmen wird dem Betreiber überlassen. Eine ökonomische Bewertung des breiten Spektrums möglicher Resultate bei derartigen Eingriffen in den Brunnenbetrieb unterbleibt (Urban et al. 2007). Die im Rahmen dieser Arbeit betrachteten Gewinnungsanlagen verzeichnen dadurch immense Mehrausgaben für die Brunneninstandhaltung. Die beiden sehr gegensätzlich betriebenen Anlagen eines öffentlichen Versorgungsunternehmens und eines privaten Industriebetriebes zeigen einerseits eine extrem sicherheitsbetonte Instandhaltungsstrategie mit regelmäßigen Regenerierungen und andererseits eine ausfallorientierte Instandhaltungsstrategie welche erst bei Kapazitätsausfällen Maßnahmen ergreift.

 

Aufgabe ist es daher ein Bewertungssystem zu entwickeln, welches die sehr individuellen Ausprägungen von Tiefbrunnen aufnimmt und die möglichen Entwicklungsräume der Förderbedingungen eines Brunnens bzw. der ganzen Gewinnung für einen Entscheidungsträger transparent abbildet. Die Zusammenfassung dieser Entwicklungsszenarien der Einzelbrunnen zu einem Gesamtbild der Fördersituation der Gewinnungsanlage kann dann zur Optimierung der Instandhaltung herangezogen werden. In der Untersuchung soll dabei neben der Auswertung von ökonomischen und hydrogeologischen Brunnendaten auch die Einstellung der Entscheidungsträger beobachtet werden. Dies ist in Bezug auf Unsicherheiten von Bedeutung, da Verteilungen und Wahrscheinlichkeiten objektive und subjektive Komponenten beinhalten und gerade im Rahmen der Wassergewinnung, wo Entscheidungen sich maßgeblich auf Erfahrungswissen stützen die subjektiven Wahrscheinlichkeiten herausragende Bedeutung haben.

 

Die sehr spezielle Nische der Wassergewinnung aus Tiefbrunnen kann daher nur ein Teilgebiet der Arbeit sein. Die Anwendung von Bewertungsmechanismen zur Eingrenzung von Unsicherheiten muss, wenn sie den Anspruch auf eine umfassende Aussagekraft stellt, auch weiche, wie beispielsweise ökologische und soziale, Faktoren bewerten können. Hierzu wird der Betrachtung der Brunneninstandhaltung die Bewertung von möglichen Einsatzgebieten zur Regenwassernutzung im urbanen Raum von Australien gegenüber gestellt. Da die Brunnenwassergewinnung im Rahmen der gesamten Wertschöpfungskette der Wasserversorgung nur einen Bruchteil der Kosten ausmacht sind der öffentliche Fokus und die sozialen Auswirkungen der betrachteten unsicheren Parameter sehr begrenzt. Die Betrachtung eines öffentlichkeitsrelevanten Themas in der Wasserversorgung ist daher für das Erfassen und das Bewerten subjektiver Wahrscheinlichkeitseinschätzungen relevant.

 

Das Untersuchungsgebiet leidet seit den Dürrejahren nach der Jahrtausendwende immer wieder unter akuter Wasserknappheit. Mit der National Water Initiative 2001 wurde in Australien versucht den nationalen institutionellen Rahmen der Wasserversorgung umzukrempeln und auf eine marktwirtschaftliche Basis zu stellen (Stoeckel/Abrahams 2007). Die Trennung von Grundeigentum und Entnahmerechten, der Handel mit Entnahmerechten und die Festlegung von ökologisch notwendigen Mindestabflussmengen soll die Wasserwirtschaft in Australien nachhaltiger gestalten (Gardner/Bowmer 2007). Dieser Umbruch und vor allem die zunehmenden Wasserrationalisierungen haben der Wasserversorgung in Australien in einen zentralen Fokus des öffentlichen Interesses gestellt. Umfangreiche staatliche Fördergelder müssen nun zur Erschließung alternativer Wasserressourcen verteilt werden. In Zusammenarbeit mit dem CSIRO department for sustainable ecosystems werden Fördergelder für die urbane Regenwassernutzung verteilt. Hierfür müssen geeignete Einsatzgebiete ausgewählt und somit bewertet werden. Die Zusammenarbeit mit diesem Projekt erlaubt es in einem bereits einsatzfähigen Bewertungsmodell zur multikriteriellen Entscheidungsunterstützung die Erkenntnisse aus dem Umgang mit Unsicherheiten in Bewertungssystemen einfließen zu lassen und die weichen nicht monetarisierbaren Faktoren anwendungsorientiert mit einzubeziehen. Die Integration von Unsicherheiten soll dabei dahingehend erfolgen, dass die Ergebnisse der Bewertung nachvollziehbar und auch für den Laien transparent bleiben. Betrachtet der erste Teil der Arbeit noch eher abgekapselte Prozesse die von Experten beurteilt werden, so liegt der zweite Schwerpunkt in einer Verallgemeinerung die auch dem Einsatz in partizipativen Prozessen Stand halten muss (Syme/Hatfield-Dodds 2007).

 

Die Entwicklung eines bessere Verständnisses und Handhabbarkeit von Unsicherheiten in alltäglichen Entscheidungssituationen in der Wasserversorgung ist keine akademische Übung sondern hat unmittelbare wirtschaftliche und politische Auswirkungen. Eine bessere Mittelallokation schafft Freiräume in einem Versorgungssektor welcher national und international von hohem Investitionsstau geprägt ist. Eine Verbesserung des Verständnisses möglicher Risiken hat besonders auf den politischen Prozess Auswirkungen. Der Möglichkeit Partikularinteressen in Entscheidungsprozessen durch undurchsichtige Entscheidungen umzusetzen erschwert sich durch eine transparentere Bewertung (Libbe et al 2004, S. 147) von Unsicherheiten, da diese in Entscheidungen den Entscheidungsträgern durch die individualisierte Verarbeitung von Unsicherheiten zu Macht verhelfen können (Luhmann 2006 S. 67).

 

 

 

Literatur

 

Benz, Martin und Sterchi, Martin (2001) Risikomanagement im öffentlichen Sektor; In: Die Volkswirtschaft, Heft 5, 2001; S. 44-49

 

DStGB (ohne Jahr) Zukunft der kommunalen Wasserversorgung in Deutschland – Sieben Thesen zur Zukunft der kommunalen Wasserwirtschaft in Deutschland; Fundort: www.dstgb.de/index_inhalt/homepage/index.phtml; Zugriff: 09.05.07

 

Gardner, Alex and Bowmer, Kathleen H. (2007): Environmantal water allocations and their governance; In: Hussey, Karen and Droves, Stephen (2007): Managing Water for Australia: The Social and Institutional Challange; CISRO Publishing, Collingwood Victoria, Chapter 4; S. 43- 57.

 

Hellermann, J. (2000): Örtliche Daseinsvorsorge und gemeindliche Selbstverwaltung: zum kommunalen Betätigungs- und Gestaltungsspielraum unter der Bedingung europäischer und staatlicher Privatisierungs- und Deregulierungspolitik. Tübingen, Mohr Siebeck, 2000

 

Koziol Matthias (2007): Demografische Entwicklungen in Deutschland und ihre Konsequenzen für die Ver- und Entsorgung. In: bbr, Jg. 58, Nr. 10. S, 24-27.

 

Libbe, J. & Moss, T. (2007). Wandel in der Wasserwirtschaft und die Zukunft kommunalpolitischer Steuerung. Zeitschrift für Umweltpolitik und Umweltrecht, Vol. 30 Nr. 3, 381-403.

 

Libbe, Jens/ Trapp, Jan Hendrik und Tomerius, Stephan (2004): Gemeinwohlsicherung als Herausforderung – umweltpolitisches Handeln in der Gewährleistungskommune, netWORKS; www.networks.group.de

 

Luhmann, Niklas (2006) Organisation und Entscheidung; Verlag für Sozialwissenschaften, 2. Auflg. Wiesbaden

 

Pahl-Wostl, C./ Möltgen, J./ Sendizmir, J. und Kabat, P. (ohne Jahr): new methods for adaptive water management under uncertainty – The NeWater Project Fundort: www.aipa.org/Adobe_Files/Collaborative_Decision_Making/Pahl_Wostl_et_al_New_Methods_for_Adaptive_Water_Management_Under_Uncertainty_The%20NeWater_Project.pdf

Pfnür A. (Hrsg) (2006): Risiken immobilienwirtschaftlicher PPPs aus der sich der beteiligten Akteure; Arbeitskreis PPP im Management öffentlicher Immobilien im Bundesverband Public Private Partnership e.V.; Arbeitspapier, Nr. 4. März 2006.

 

Stoeckel, Kate and Abrahams, Harry (2007): Water reform in Australia – The National Water Initiative and the role of the National Water Commission, In: Hussey, Karen and Droves, Stephen (2007): Managing Water for Australia: The Social and Institutional Challange; CISRO Publishing, Collingwood Victoria, Chapter 1; S. 1-9.

 

Syme, Geoffrey and Hatfield-Dodds, Steve (2007): The role of communication and attitudes research in the evolution of effective resource management arrangements. In: Hussey, Karen and Droves, Stephen (2007): Managing Water for Australia: The Social and Institutional Challange; CISRO Publishing, Collingwood Victoria, Chapter 2; S. 11-22.

 

Urban, W.; Benz, P.; Treskatis, Ch. und Rubbert, T. (2007): Brunnenregenerierung – Methodischer Ansatz zur Bewertung und Entscheidung; In: bbr, Nr. 11, 2007, S. 34-40.

 

W. B. d. B. G. Umweltveränderungen, (2007). Welt im Wandel: Sicherheitsrisiko Klimawandel. Berlin Heidelberg New York: Springer.

 

Wissen, M. and Naumann, M. (2006) Infrastructural commercialization and uneven development: The case of East Germany; In: International Hydrological Programme IHP (2006) Urban Water conflicts; UNESCO, UNESCO Working Series SC-2006/WS/19; unesdoc.unesco.org/images/0014/001490/149032E.pdf; Zugriff: 22.01.2007 S. 169-182.

 

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