Computing-Räume. Von der Kiste zum intelligenten Hintergrund


Suzana Alpsancar


 
Mein Dissertationsprojekt untersucht die diskursive Konstitution von Computer bzw. Computing im Bereich technikphilosophiescher, medientheoretischer und interdisziplinärer Debatten. Im Diskurs zirkulieren ein reichhaltiges Inventar an Eigenschaftszuschreibungen, Modellierungsachsen und Argumentationsregister. Ein Konsens oder ein abschließende Bestimmung von Computer und Computing gibt es bisher jedoch nicht und scheint keineswegs möglich. Andauerndes Diskussionpotential bieten die Fragestellungen, in welcher Weise Computer unsere Lebenswelt tangieren, bzw. wie unser Mitsein mit Computern und Computing-Möglichkeiten in einer technisierten Lebenswelt zu beschreiben sei.

 

Zum Zwecke der Systematisierung meiner Analyse gehe ich davon aus, dass die Weisen, wie Computer und Computing gedacht werden, in sprachlich transportiere
Konzepte zu fassen sind. Ein solches Konzept umfasst folgende Achsen: a) erklärende Modellierung von Computern oder Computing; b) beschreibende Eigenschaftszuweisungen, die gleichermaßens Auskunft darüber geben, welche Möglichkeitsräume Computer uns eröffnen; c) Visionen und Vorstellungen darüber, dass und inwelcher Weise Computing-Technologien unsere Lebenswelt und Kultur verändern.

 
Um diesen analytischen Werkzeugkasten zu illustrieren: ein Konzept aus dem frühen Computerdiskurs modelliert Computer als maschinelle Intelligenz, definiert Computing als Rechnen, und kokettiert mit der Vision, dass einerseits Maschinen menschliche Kompetenzareale erobern können ("logische Verknüpfungen, Zeichenerkennung, Gedächtnis, Lernen" {Steinbuch, 1965, Dritte neubearb. und erw. Aufl., Automat und Mensch. Kybernetische Tatsachen und Hypothesen}) und andererseits per Analogievoraussetzung durch den Fortschritt in der Automatentheorie ferner Erkenntnisse über menschliche (kognitive) Kompetenzen, oder gar das Wesen des Menschen erzielt werden könnten.

 

Ein weiteres populäres Konzept modelliert Computer als Medium, welches Menschen vernetzt und somit unsere Raumzeit neu strukturiert. Diese von der Kommunikation ausgehende Vorstellung koppelte sich vor allem in den 1970er und 1980er Jahren an politisches Wunsch- und Schreckensdenken: die Utopie einer enthierarchisierten und damit qua dezentralisierter Kommunikationsstruktur gleichberechtigten Bürgergesellschaft versus Verlustszenarien des politischen Bewusstseins und Engagement durch Entgrenzung der privaten und öffentlichen Sphären.

 

Das Bündeln solcher Modelle, Attribuierungen und Visionen zu Konzepten von Computern und Computing ist rein analytischer, instrumenteller Natur und soll keineswegs eine solche feste Zuordnung im Diskurs oder bei einzelenen Denkern behaupten. Die jeweiligen Achsenausprägungen scheinen sich jedoch im Diskurs zu solchen Bündeln oder Gruppierungen zu verdichten.

 

Eine weitere Ausgangsbehauptung der Arbeit ist, dass diese Konzepte zum einen mit bestimmten technologischen Artefakten (Großrechner, Desktop-PC, Sensoren etc.) und zum anderen mit bestimmten disziplinären Paradigmen korrelieren (Virtual Reality, Expertensysteme, Ubiquitous Computing etc.). Die Konzepte varriieren mit der Zeit, entlang des technischen Marktes und gleichfalls mit kollektiven Habitualisierungen und Normalisierungsprozessen im Handeln mit Technik. Dieses Eintauchen in die Normalität der technisierten Lebenswelt wirkt auf den Diskurs zurück.

 

Gegenwärtig lässt sich ein solcher Wandel beobachten: Visionen, Szenarien und Forschungsprojekte rund um das Paradigma des Ubiquitous Computing sowie die weite Diversität heutiger Informationstechnologien (GPS, RFID-tags, smart environments, PDAs, smart phones etc.) lassen sich mit den hergebrachten Konzepten von Computern und Computing nicht mehr fassen. Möglicherweise lässt sich überhaupt nicht mehr von "dem" Computer im Singular sprechen. Diese Feststellung ist einerseits überfällig, da spätestens mit der Ausbreitung der Informationstechnologien zum Massenphänomen die Spannbreite der Digitalität nur verkürzt mit einem Prototyp fassbar war, und selbst der Desktop-PC, als ein solcher Prototyp, von Beginn an mehr wie z.B. Kommunikationsapparat oder Rechenmaschine war. Andererseits scheint sich die digitale Druchdringung der Lebenswelt gegenwärtig enorm zu radikalisieren. Portable und wearbale Geräte machen hier nur den Anfang. Die Gesamtheit des Alltags soll, so zumindest die Vision des Ubqiutous Computing, durchdrungen werden mit Informationstechnologie.

 

Die Arbeit geht der diskursiven Konstitution von Computern und Computing exemplarisch nach. Ausgangsmaterial bilden einschlägige Schriften von Vilém Flusser, der sich verstärkt in den 1980er Jahren im europäischen Raum mit der Digitalisierung der Lebenswelt auseinandersetze. Seine weitläufigen, essayistischen Sprachspiele bieten einen reichen Fundus an Einschätzungen der damals noch neuen Technik und sind gleichzeitig symptomatisch für den Computerdiskurs dieser Zeit. Aus der Analyse Flussers wird ein Gerüst des Computer-Denkens entstehen, welches als Vergleichsfolie für eine Auseinandersetzung mit gegenwärtiger Computerphilosophie sowie Mark Weiser's Paradigma des Ubiquitous Computing dient.


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