Technische Infrastrukturen und räumliche Interdependenzen - Systeme der Wasserversorgung im Kontext von Kybernetik und nachhaltiger Entwicklung am Beispiel des Cuvelai Deltas im zentralen Norden Namibias

Martin Zimmermann

Problemstellung

Untersuchungsraum ist das im zentralen Norden Namibias gelegene Cuvelai-Etosha-Becken. Hier leben etwa 50% (knapp 1 Mio. Menschen) der Bevölkerung auf ca. 15% der Fläche Namibias. Prägend für diese Region ist zum einen die Trockenheit – Namibia ist das trockenste Land südlich der Sahara – und zum anderen eine hohe Variabilität des Wasserdargebotes. Dürre und Überflutung wechseln sich im Verlauf der Jahreszeiten ab. Oberflächenwasser ist somit lediglich während der Regenzeit im Sommer verfügbar. Gleichzeitig sind erreichbare Grundwasserhorizonte überwiegend stark salzhaltig und somit nicht zur Nutzung als Trinkwasser geeignet.

Die Wasserversorgung der Region wird hauptsächlich über eine 150 km lange Fernwasserleitung gewährleistet, die Wasser des namibisch-angolanischen Grenzflusses Kunene in den Verdichtungsraum leitet, wo es über ein Pipeline-System verteilt wird. Die Problemlage kann durch diese Infrastruktur jedoch nicht nachhaltig gelöst werden, da erstens die Abflussmengen des Kunene bedingt durch den Klimawandel einer wachsenden Variabilität unterliegen, zweitens davon auszugehen ist, dass der Wasserbedarf von Seiten Angolas zunehmen wird, sowie drittens die Entnahmen auf namibischer Seite ansteigen. Letzteres ist einerseits auf die zunehmende Nutzung des Wassers für andere Zwecke (etwa Landwirtschaft), andererseits auf das allgemeine Bevölkerungswachstum - und zwar sowohl aufgrund der natürlichen Bevölkerungsentwicklung, als auch aufgrund von Migration in die Region - sowie Urbanisierungsprozesse zurückzuführen. Der Zuzug von Menschen in die urbanen Zentren erschwert die Versorgungssituation dadurch, dass sich deren Wassernutzungsmuster verändern.

Die dargestellten Sachverhalte verschärfen die Wasserknappheit und verstärken die Nutzungskonkurrenzen. Abgesehen davon zieht diese Problematik zahlreiche weitere soziale, ökologische, politische, ökonomische und technische Fragestellungen bzw. nicht-intendierte externe Effekte nach sich, etwa im Hinblick auf die hygienische Situation (mangelnde Abwasserentsorgung), die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung, Konzentrationsprozesse, die Exklusion vom Zugang zur Ressource und damit im Zusammenhang stehend auch regionale Differenzierungen bzw. eine Verschärfung (intra-) regionaler sozio-ökonomischer Disparitäten, die Degradation der Böden (z. B. aufgrund unzureichender landwirtschaftlicher Anbaumethoden) sowie nicht zuletzt binationale Abhängigkeiten zwischen Namibia und Angola.

Ziele der Arbeit

Ausgehend von der dargestellten Problematik ist es zunächst Ziel des Vorhabens, das bestehende regionale System der Wasserversorgung einschließlich seiner Wechselwirkungen zu analysieren. Im Fokus stehen dabei zum einen dessen ökologische, soziale, ökonomische, technische sowie politisch-institutionelle Auswirkungen und zum anderen dessen Einflussfaktoren und Rahmenbedingungen. Aufbauend auf einer Modellierung dieser Interdependenzen sollen im Rahmen von Simulationen und Sensitivitätsanalysen auch dezentrale Versorgungstechnologien thematisiert sowie alternative Szenarien der Wasserversorgung erstellt werden. Diese Versorgungsszenarien gilt es dann im Sinne der Prinzipien einer nachhaltigen Planung und Entwicklung multikriteriell zu bewerten und miteinander zu vergleichen. Letztendlich ist es mithin Ziel der Arbeit, angepasste Handlungsstrategien zu entwickeln und zu diskutieren, die sowohl trag- als auch zukunftsfähig sind und ferner Rückschlüsse hinsichtlich der Steuerung und Regelung sozial-ökologisch-technischer Systeme zulassen.

Forschungsdesign

Das Forschungsdesign des Projektes lässt sich in die Abschnitte Modellbildung, Simulation, Bewertung und Interpretation gliedern. Dies entspricht grundsätzlich dem klassischen Ansatz wissenschaftlicher Modellierung, orientiert sich aber auch an dem formal-logischen Phasenschema des Planungsprozesses, wie er insbesondere in den Planungswissenschaften gebräuchlich ist (Fürst, Scholles 2001).

Die Phase der Modellbildung umfasst die Erstellung des Systemmodells und basiert zunächst auf der Problemidentifikation und -beschreibung. Wesentliche empirische Grundlage hierfür liefern Methoden der qualitativen Sozialforschung, insbesondere leitfadengestützte Experteninterviews mit relevanten Stakeholdern und/oder Akteuren, aber auch fokussierte Interviews. Der Modellbildung liegen Theorien der Transdisziplinarität bzw. transdisziplinärer Forschung (Mittelstraß 2005, Ropohl 2005, Jahn 2005), kybernetische Systemtheorien (Wiener 1965, Bertalanffy 1976, Ropohl 1999, Bossel 2004), allgemeine Techniktheorien (Ropohl 1999, Rammert 2002) sowie die mathematische Graphentheorie zugrunde. Zentrale systemanalytische Methode im Rahmen der Modellbildung ist das Sensitivitätsmodell (Vester 2000). Daneben sind aber auch die Soft Systems Methodology (Checkland 2000), das Group Model Building (Vennix 1999) sowie der Case Study Approach (Scholz et al. 2006) zu erwähnen, in denen Gruppendiskussionen durchgeführt werden, was im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht realisierbar ist. Neben diesen rein qualitativen oder semi-quantitativen Methoden besitzen klassische quantitative Verfahren, wie die System Dynamics (Forrester 1961), sowie darüber hinaus Theorien zu Large Technological Systems (Hughes 1999) sowie die Actor Network Theory (Latour 2007) einen, wenn auch nicht methodischen, doch zumindest inspirierenden und richtungweisenden Einfluss.

In der anschließenden Phase der Simulation wird das Systemmodell Sensitivitätsanalysen sowie Policy-Tests unterzogen, welche dann in die Entwicklung von unterschiedlichen (Wasserversorgungs-) Szenarien münden. Hierzu finden die bereits im Zusammenhang mit der Modellbildung erwähnten Methoden Anwendung, weshalb diese beiden ersten Phasen des Forschungskonzeptes im engeren Sinne auch unter dem Begriff der Systemanalyse zusammengefasst werden können.

Der Simulation schließt sich eine multikriterielle Bewertung der entworfenen Szenarien im Hinblick auf eine Nachhaltige Entwicklung an. Die Theorien zur Nachhaltigkeit reichen von frühen forstwirtschaftlichen Konzeptionen über Ansätze der 1970er Jahre (u.a. The Limits of Growth von Meadows et al. 1972, Forrester 1972) und dem Brundtland-Bericht der von den Vereinten Nationen eingesetzten Weltkommission für Umwelt und Entwicklung (Hauff 1987) bis hin zu Debatten über Resilienz und Vulnerabilität (Holling 1973). Zur Entwicklung eines operationalisierbaren Nachhaltigkeitskonzeptes lassen sich Bewertungskriterien und Indikatoren aus integrativen und anwendungsbezogenen Ansätzen ableiten (Jörissen et al. 1999, Bossel 1999). Die Umsetzung erfolgt über multikriterielle Bewertungsverfahren, wie der Nutzwertanalyse (Zangemeister 1976) sowie dem Analytic Hierarchy Process (Saaty 1990).

Im abschließenden Abschnitt des Forschungsdesigns geht es darum, die Ergebnisse der Systemanalyse sowie insbesondere der Bewertung zu interpretieren und darauf aufbauend Handlungsstrategien zur Gestaltung einer nachhaltigen Wasserversorgung abzuleiten. Erst über das „Wissen von Handlungsoptionen“ (Burger 2005) kann eine Entscheidungsgrundlage zur Generierung von umsetzbaren und erwünschten Lösungsvorschlägen geschaffen werden.

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