Markus Stroß
Technische Hilfsmittel haben im Spitzensport eine zentrale Bedeutung erlangt. Die Bandbreite reicht von Video-Informationssystemen bis zu komplexen Messplätzen, die dem Trainer und Athleten zusätzliche Informationen zur Bewegungsausführung liefern.
Die Rolle technischer Hilfsmittel im Sport ist jedoch ambivalent zu betrachten. Einerseits verspricht man sich einen Mehrwert von der Verwendung technischer Hilfsmittel, andererseits ergeben sich Probleme in der wissenschaftlichen Fundierung und der praktischen Umsetzung. An dieser Stelle setzt die Grundthese des Projekts an, die wie folgt lautet:
Im Übergang vom Training zum Wettkampf ergeben sich Probleme hinsichtlich der Bewegungstechnik, wenn technische Hilfsmittel im Training umfangreich eingesetzt werden, im Wettkampf (z. B. auf Grund der Wettkampfbestimmung, zeitlichen oder räumlichen Restriktionen) jedoch nur sehr reduziert zur Verfügung stehen.
Um diese Grundthese zu erforschen, werden im Dissertationsprojekt drei Raumbegriffe thematisiert, die auf unterschiedlichen Ebenen anzuordnen sind:
Technische Hilfsmittel bilden Bewegungen häufig auf einen mathematisch-physikalischem Raum ab. Beispiele sind die Erfassung und Darstellung von Kraftkurven, Geschwindigkeitsprofilen oder Bewegungstrajektorien.
Die Verwendung von technischen Hilfsmitteln bieten Optionen, in einer anderen Qualität in Training und Wettkampf einzugreifen, dies wird hier als Möglichkeitsraum bezeichnet. Beispielsweise vermittelt der Einsatz von Videofeedback im Training einem Ruderer eine zusätzliche visuelle Information zum Eintauchen der Ruderblätter. Diese Information hat der Ruderer während der Bewegungsausführung nicht, da die Ruderblätter hinter ihm – außerhalb seines Sichtfelds – eingetaucht werden. Im Wettkampf können mit technischen Hilfsmitteln, bspw. im Radsport, online Analysen des Rennverlaufs durchgeführt werden, die es ermöglichen im Rennen taktisch zu reagieren.
Bewegungen können auf Grund der vorhandenen Freiheitsgrade des Menschen auf unterschiedliche Weise durchgeführt werden (z. B. Greifen nach einem Glas Wasser). Die Möglichkeiten und Grenzen, wie Bewegungen ausgeführt werden können, werden von dynamischen Bewegungsansätzen als Wahrnehmungs-Bewegungsraum („perceptual-motor workspace“) konzeptualisiert, der durch die Bewegungsaufgabe, die Umweltbedingungen und die beteiligten Personen konstituiert wird. Technische Hilfsmittel sollen den Athleten und Trainern im Training und Wettkampf eine Hilfe sein, in dem sie Such- und Entdeckungsprozesse im Wahrnehmungs-Bewegungsraum unterstützen.
Vor dem Hintergrund der dargestellten Problematik werden die folgenden Forschungsfragen verfolgt:
Um den Forschungsfragen nachzugehen wurde methodisch in drei Phasen vorgegangen.
Qualitative Interviews stellten den Ausgangspunkt der Datenerhebung dar. Die Interviews hatten die Aufgabe das Gefüge technischer Hilfsmittel in Training und Wettkampf zu explorieren und – aus der Sicht der Akteure (Trainer, Sportler) – nach Unterschieden und Gemeinsamkeiten im Einsatz von technischen Hilfsmitteln in den Bereichen Training und Wettkampf zu suchen.
Auf der Basis der Interviewergebnisse wurden Kategorien entwickelt, die diese Differenzen abbilden. Mit Hilfe dieser Kategorien wurde ein Fragebogen konzipiert, um die Ergebnisse der Interviews kommunikativ zu validieren.
Abschließend wurde ein Feldexperiment durchgeführt. In das experimentelle Forschungsdesign flossen Erkenntnisse aus den qualitativen Interviews und Teilergebnisse der Fragebogenerhebung ein. Mit einem geeigneten Versuchsaufbau, der die Manipulation des Wahrnehmungs-Bewegungsraums mittels Videofeedback beinhaltet, wurde geprüft, wie der Einsatz dieses technischen Hilfsmittels das Training der sportlichen Technik und ihre Umsetzung im Wettkampf beeinflusst.
Die Interviewphase ist bereits abgeschlossen und die Daten wurden bereits ausgewertet. Die Haupterhebung der Fragebogenphase ist ebenfalls abgeschlossen. Zurzeit wird eine Nacherhebung durchgeführt, die in den nächsten Wochen abgeschlossen ist. Auch die Datenerhebung des Feldexperiments ist bereits beendet. Gegenwärtig werden die Daten aufbereitet und anschließend ausgewertet.
Die Interviews erbrachten die folgenden Kernergebnisse:
Eine vorläufige Auswertung der Fragebögen bestätigt im Wesentlichen die Kernergebnisse der qualitativen Interviews. Es können jedoch folgende Ergebnisse ergänzt werden:
Es zeigt sich in den Interviews und der Fragebogenerhebung, dass Videotechnologien am häufigsten verwendet werden und in erster Linie im Techniktraining zum Einsatz kommen. Deshalb wurde im Feldexperiment als Treatment Videofeedback gewählt, um die Bedeutung dieser Informationsquelle für Suchprozesse im Wahrnehmungs-Bewegungsraum unter Trainings- und Wettkampfbedingungen zu untersuchen. Diese Technologie bietet sich - vor dem Hintergrund einer „Topologie der Technik“ – auch deshalb an, weil hier visuelle Raum-Zeit-Informationen aus einer anderen räumlichen Perspektive und in verkleinertem Maßstab aufgezeichnet und präsentiert werden.
Das Videofeedback wurde als Schnellinformation zum Aufschlagtraining im Tennis eingesetzt. Es wurde ein ABAB-Untersuchungsplan mit zwei Gruppen gewählt (vgl. Abbildung 1). Um Probleme im Übergang vom Training zum Wettkampf überprüfen zu können, wurden vier zweiwöchige Trainingsblöcke durchgeführt, in denen im Wechsel mit und ohne Videofeedback trainiert wurde. Im Anschluss an die vier Trainingsblöcke wurden jeweils Trainingswettkämpfe durchgeführt. Im ersten und zweiten Trainingswettkampf wurde kein Videofeedback zur Verfügung gestellt, im dritten und vierten Wettkampf erhielten die Sportler Videofeedback. Um Veränderungen im Wahrnehmungsraum erfassen zu können, wurde ein Fragebogen entwickelt, der am Ende jeder Trainingsphase sowie nach jedem Wettkampf eingesetzt wurde. Zusätzlich wurden nach den Trainingswettkämpfen mit einzelnen Sportlern Interviews geführt, in denen nach Unterschieden im Wahrnehmungs-Bewegungsraum zwischen Training und Wettkampf gefragt wurde. In den Pre- und Posttests wurden die Bewegungsausführung und die Präzision des Aufschlags ermittelt. Die Wirksamkeit des Aufschlags im Wettkampf wurde anhand ausgewählter Indikatoren überprüft.
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Graduiertenkolleg
"Topologie der Technik"
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Sprecher
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